Kino “Breitwand” mit 5 Sälen und Gastronomie - ausgezeichnet als bestes Kino Bayerns, Gauting

Wo Filmkunst und Architektur einen Ort der Begegnung schaffen

Jahr: 2014-2016
Status: realisiert
Planungsumfang: LPH 1-4

Im Jahr 2014 beauftragte Matthias Helwig unser Büro ein neues Kino in Gauting zu entwerfen. Wir hatten bereits im Jahr 2002 das Kino „Breitwand“ in Starnberg im Architekturbüro Baehr-Rödel geplant.

Aufgabe war bei diesem Projekt nicht irgendwo einfach fünf „black boxes“ zu platzieren, sondern mitten im Herz von Gauting direkt am Bahnhof. Wir waren uns der städtebaulichen Verantwortung bewusst, dass eine geschlossene Kinofassade den Ort erschlagen würde und wollten versuchen möglichst viel Öffnung zum Bahnhofsplatz zu schaffen. Was aber nicht heißen sollte eine reine Glasfassade zu errichten.

Das Gebäude war Rücken an Rücken mit dem Nachbarhaus zu planen. Daher waren wir im Dialog mit dem Architektenkollegen W.-E. Lüps und wollten ein verbindendes Element zwischen den Gebäuden sichtbar machen. Es galt den Höhensprung zwischen Bahndamm und Unterführung innerhalb des Grundstückes zu integrieren. Die Umsetzung des Nachbarbaus wurde später aber von Herrn Lüps nicht mehr weiter begleitet.

Für das Kino entwarfen wir die Idee des „Filmbands“ mit Fenstern entlang der Fassade, das von den oberen Sälen, diagonal über das Foyer zu den unteren Sälen und anschließend auf eine gemeinsame Ebene zu den Geschäften im Nachbargebäude überleitet. Ursprünglich mal gedacht mit Graphiken aus der Zeit als die Bilder laufen lernten, spielen dort heute die Kinobesucher selbst die tragende Rolle den gläsernen „Filmstreifen“ am „Laufen“ zu halten.

Von Anfang an unterstützte Nicolai Baehr Helwig bei seinen Filmfesten mit Vorträgen zu Architekturfilmen. Was Filmkunst und Architektur gemeinsam haben sind die Visionen, die auf einem leeren Blatt Papier beginnen und später auf der Leinwand sichtbar oder im öffentlichen Raum erbaut werden. Beide leben von der Spannung und dem Kontrast. Nur dies lässt sie nicht langweilig erscheinen.
Egal, ob im Film, im urbanen Raum oder einem Gebäude – es sind die Gegensätze, die uns anziehen.

Deshalb empfinden wir es so reizvoll durch ein italienisches Städtchen mit seinen engen Gassen zu schlendern, wenn sich plötzlich unerwartet der Platz vor einer Basilika oder einer Freitreppe öffnet. Ähnlich ist es beim Betreten des Haupteingangs, von dem man gleich zwei großzügige Räume erblickt, die Gastronomie zur Linken und das Kinofoyer zur Rechten. Begibt man sich ins Treppenhaus, meint man die gesamte Größe des Gebäudes über seine drei Etagen schon mit einem Blick erfasst zu haben. Aber der Schein trügt, denn man sieht nur die Spitze des Eisbergs. Man muss schon hinabsteigen und eine Art enge „Filmgasse“ passieren, um dann das unvermutete Volumen des größten und modernsten Kinosaals im Landkreis Starnberg zu entdecken.

Umgekehrt funktioniert dieser Effekt ebenso, wenn man nach der Filmvorstellung wieder den großen Treppenraum betritt, der mit seinem Blick ins Freie einlädt auch noch die anderen Säle zu besuchen.
Ursprünglich ist hier im Außenbereich von der Gemeinde eine Amphitheatertreppe genehmigt worden, die mit ihren Sitzstufen für Filmfestatmosphäre im Sommer gesorgt hätte. Bisher konnte aber der Wunsch der Gemeinde, den Kinovorplatz, der auf Gemeindegrund liegt, mit der Ebene des Bahnhofs zu verbinden noch nicht wie geplant umgesetzt werden. Die gesamte Neugestaltung des Bahnhofsplatzes ist vom Gemeinderat noch nicht entschieden. So konnte vorerst nur mit Gabionen und einem Steingarten das Gelände abgefangen werden, wo in Zukunft einmal auf einer Festivaltreppe die Stars über den blauen „Fünf Seen Filmfest“ –Teppich von der Straße direkt zum Filmtheatereingang schreiten könnten. Es liegt nun also in der Hand der Gautinger, dass diese Freitreppe noch umgesetzt wird, genauso wie es jetzt an uns allen ist diesen neuen Treffpunkt inmitten der Würmtalgemeinde zum Leben zu erwecken.

Filmtrailer zur Kinoeröffnung produziert von baehr-rödel necologix architects für Matthias Helwig:

Eröffnungstrailer-Gauting from Nicolai Baehr on Vimeo